Harmonische in Windkraftanlagen – Teil 1
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft leistet die derzeitige Energiewende einen unverzichtbaren Beitrag. Mit dem Aufkommen von Elektroautos und einer zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft stehen wir aber vor einem Problem: Woher nehmen wir die nötige elektrische Energie (und das vor allem umweltfreundlich)? Einen wichtigen Teil dieser Lösung stellt die Windenergie dar. Durch Windräder, egal ob an Land oder auf See, wurden im Jahre 2020 weltweit knapp 740 GW an Leistung produziert. Diese Zahl entspricht einem Beitrag von ca. 6% an der weltweiten Stromproduktion, und dieser Anteil steigt.
Doch mit dem Einsatz von erneuerbaren Energien kommen auch neue Probleme auf unser Stromnetz zu. Bei Windkraftanlagen sind vor allem die Harmonischen ein bremsender Faktor. Genau deshalb wollen wir im Rahmen von zwei Blogposts erklären, warum jene ein Problem darstellen und wie man diesem entgegenwirkt. Hier im ersten Teil widmen wir uns der Definition und Problematik von Harmonischen.
Die Definition von Harmonischen
Unser Stromnetz wird zum größten Teil mit Wechselgrößen (Wechselspannung und Wechselstrom) betrieben. Wie der Name schon aussagt, ändert Wechselstrom kontinuierlich seine Richtung und die Wechselspannung analog dazu ihre Polarität.
Im mitteleuropäischen Stromnetz wird Spannung und Strom 50 Mal in der Sekunde gewechselt. Dies geschieht idealerweise Sinusförmig (Abbildung 1). Deshalb hat unser Stromnetz auch eine Frequenz von 50 Hz. In den USA beträgt die Netzfrequenz hingegen 60 Hz.
Harmonische Frequenzen (kurz: Harmonische oder Oberschwingungen) sind Vielfache dieser Grundfrequenz. Hat ein Spannungssignal in Europa beispielsweise eine Frequenz von 100 Hz (2×50 Hz), stellt dies eine 2. Harmonische dar. Als 3. Harmonische wird eine Frequenz von 150 Hz (3×50 Hz) bezeichnet, usw. In Abbildung 1 sind zusätzlich zur Grundfrequenz von 50 Hz, auch die zweite und dritte Oberschwingung zu sehen.
Abbildung 1: Zweite und dritte Oberschwingung in einem Spannungssignal
Man stellt sich nun natürlich die Frage: Kann es nicht auch Frequenzen geben, die keine Vielfachen der Grundfrequenz sind? Und tatsächlich ist das der Fall. Solche Frequenzen werden als Interharmonische bezeichnet. Beispiele sind Frequenzen von 76 Hz oder 114 Hz. Auf sie treffen dieselben Überlegungen zu, wie auf Harmonische.
Welchen Einfluss haben Harmonische?
Warum sind nun aber Harmonische bzw. Oberschwingungen ein solches Problem? Unser Stromnetz und die daran angeschlossenen Geräte verlassen sich darauf, dass ihnen ein perfekt sinusförmiges Signal mit der richtigen Frequenz geliefert wird. Doch genau das verhindern Harmonische. Je mehr Oberschwingungen im Signal vorliegen, desto weiter weicht man von der idealen Sinuskurve ab.
Betrachten wir ein Beispiel: Die Grundfrequenz eines Spannungssignals sei 50 Hz. Nun fügen wir zwei Harmonische mit 100 Hz und 150 Hz hinzu. Addiert man alle drei Spannungssignale, ist das Resultat nicht mehr sinusförmig (Abbildung 2).
Abbildung 2: Verzerrung eines Sinussignals durch Harmonische
Doch was bedeutet das für uns in der Praxis? Wie erwähnt, ist der Großteil von Komponenten in unserem Stromnetz für die Grundfrequenz optimiert. Harmonische können deshalb zu Hitzeentwicklungen und Vibrationen in Transformatoren, Kabeln und allen anderen Gerätschaften führen. Am Beispiel von Windrädern wird dadurch die Lebensdauer von (vor allem elektronischen) Komponenten verringert. Auch Funktionsstörungen in unterschiedlichsten Bereichen (z.B. in Sicherheitssystemen) können auftreten. Grund dafür ist, dass sich viele Geräte an einem exakten Nulldurchgang der Sinuskurve orientieren. Weicht dieser Nulldurchgang aufgrund von Oberschwingungen vom Ideal ab, kann es zu Fehlfunktionen kommen.
Tatsächlich ist es möglich, dass bis zu 20 % der produzierten Leistung in Form von Harmonischen vorliegen. Dies verringert die Effizienz einer Windkraftanlage deutlich. Merkbar wird das vor allem dann, wenn Harmonische mit einer sogenannten Resonanzfrequenz übereinstimmen. In diesem Fall wird die entsprechende Harmonische Frequenz (ungewollt) vom System der Windkraftanlage verstärkt. Die Resonanzfrequenzen sind hierbei nicht immer bekannt. Sie hängen unter anderem vom Aufbau des Windrades und sogar von der Windgeschwindigkeit ab.
Schlussendlich ist auch die Stabilität unserer Stromversorgung durch Harmonische gefährdet. Fällt die Frequenz des gesamten Stromnetzes auch nur von 50 Hz auf 47,5 Hz, kommt es zu großräumigen Netzausfällen. Dieser und die vorher genannten Gründe sind Anlass dazu, Harmonische in der Praxis möglichst zu vermeiden. Wie Harmonische entstehen und was man gegen sie tun kann, werden wir im Blogpost nächste Woche beleuchten.
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